Vor rund drei Jahren hatte Eva Lust, etwas Neues auszuprobieren. Also begleitete sie ihre Tante ins Gym, wo diese Kickboxen trainiert. Kurzerhand schloss Eva sich dem Training an. Kampfsport war ihr bekannt, sie hatte zuvor Capoeira, eine akrobatische Kampfsportart, gemacht. Zu Beginn trainierte sie einmal pro Woche, schnell wurde es mehr. Mittlerweile trainiert sie an sechs Tagen die Woche, an manchen Tagen absolviert sie gleich zwei Einheiten. Nur sonntags macht die junge Kickboxerin Pause.
Irgendwann begann Eva, an kleineren Wettkämpfen teilzunehmen – und gewann einen nach dem anderen. Inzwischen ist sie doppelte Schweizermeisterin. Seit diesem Jahr tritt sie auch auf internationalem Parkett an. Eva wird Erste am Grand Prix in Sarajevo, gewinnt eine Goldmedaille am Worldcup in Ungarn und holt mehrere weitere World-Cup Podestplätze. «Plötzlich ging es ganz schnell», sagt sie und lacht.
Was ist Kickboxen?
Kickboxen ist ein Kampfsport, bei dem das Schlagen mit Füßen und Händen erlaubt ist. Es ist eine Art Kombination aus konventionellem Boxen und Karate. Sowohl Tritte als auch Schläge sind erlaubt. Gewinnen kann man entweder nach Punkten oder wenn die andere Person aufgibt bzw. durch K.O. besiegt wird.
«Tolles Gefühl, wenn sich die harte Arbeit auszahlt.»
Drei schwere Niederlagen hat Eva bislang einstecken müssen. Frustrierend sei das schon, aber es gehöre zum Sport, sagt sie dazu. Mit etwas Zeit könne sie gut mit Niederlagen umgehen. Umso schöner sei es, wenn sie gewinne. «Es ist ein großartiges Gefühl, wenn die harte Arbeit sich auszahlt», sagt sie dazu. Ein besonderer Moment ihrer Karriere: Der Sieg in Sarajevo. Zuerst sah es nämlich so aus, als würde sie den letzten Kampf des Turniers verlieren, doch sie kämpfte sich zurück und triumphierte am Ende.
Mit den Erfolgen steigt auch der Leistungsdruck. Der gehe aber nicht vom Trainer aus, stellt Eva klar. Ihrem Trainer sei das Gewinnen und Verlieren weniger wichtig, es zähle vor allem, dass Eva vollen Einsatz gebe.
Bei internationalen Wettkämpfen stehen mehrere Boxringe nebeneinander. Die Kämpfe finden parallel statt, wodurch die einzelnen Athlet*innen kaum im Rampenlicht stehen. Ein grosses Spektakel hingegen sind die Fight Nights. Da kann es schon mal vorkommen, dass mehr als fünfhundert Zuschauer*innen den Kickboxer*innen zujubeln. Eva selbst lässt sich davon nicht beeindrucken. Während den Kämpfen bemerke sie die Zuschauer*innen gar nicht.

Der Balanceakt zwischen Schule und Sport
Die Schule, Trainings und Wettkämpfe unter einen Hut zu bringen, ist ein beachtlicher Balanceakt. Die wenige Zeit, die Eva neben dem Sport hat, nutzt sie effizient zum Lernen. Im letzten Semester musste die junge Gymnasiastin ziemlich viel Unterricht verpassen. Zum Glück finden die meisten Lehrpersonen gut, was sie macht, und bereiten ihr keine Schwierigkeiten, wenn sie mal fehlen oder eine Probe nachholen muss. Auch die Abteilungsleitung – Eva war Schülerin an der Abteilung WR – zeigte Verständnis bei allfälligen Dispensationen.
Ende des vergangenen Schuljahres hat Eva vom Gymnasium Kirchenfeld ans Sportgymnasium Neufeld gewechselt. So kann sie den Unterricht von vier Jahren Gymnasium auf fünf verteilen und hat neben der Schule genügend Zeit fürs Trainieren.
«Vor einem Wettkampf muss ich eine spezielle Diät einhalten.»
Sarajevo, Ungarn, die Türkei – alles Orte, die Eva dank ihrem Sport schon bereisen durfte. Auf eigene Kosten: Flug, Unterkunft und Verpflegung muss sie selbst bezahlen. Eine kleine Hilfe sind die rund 300 Franken, die man als Preisgeld für einen Sieg gewinnt. Deshalb gibt es ein System mit Sponsoren, das die Athlet*innen finanziell unterstützt und somit hilft, die Kosten zu decken. Einer von Evas Sponsoren ist Edubily, ein Unternehmen für Nahrungsergänzungsmittel. Der andere ist der McDonalds im Berner Hauptbahnhof. Etwas ironisch, wenn man bedenkt, dass Diäten zum Alltag von Kickboxer*innen gehören. Im Kickboxen werden die Athlet*innen nach Gewichtsklassen unterteilt. Eva darf also vor einem Turnier die 60 Kilo nicht überschreiten.

Ansonsten hat sie keine besonderen Routinen vor Turnieren, ausser, dass sie ein paar Tage zuvor weniger Trainings bestreitet. Vor einem Kampf muss sie sich gut aufwärmen – meistens mit Pratzen. Eine Pratze ist eine Art Schild, das von einer anderen Person gehalten wird. «Und Vaseline aufs Gesicht, damit es weniger Platzwunden gibt», ergänzt Eva.
Verletzungen – ein heikles Thema
Eva selbst hat sich noch nie schlimm verletzt. Aber sie kennt jemanden, der sich bei seinem ersten internationalen Wettkampf am Arm verletzt hat. Er musste sogar operiert werden und ein halbes Jahr pausieren. Angst vor Verletzungen scheint Eva nicht zu haben, nur Trainings verpassen will sie nicht. Schliesslich ist es ihr grosses Ziel, eine professionelle Karriere im Kickboxen aufzubauen. Die Olympiade ist ihr Traum – sobald Kickboxen ein Teil des olympischen Programms wird, versteht sich.