Die Gretchenfrage unseres 21. Jahrhunderts lautet: Wie hast du‘s mit dem Bildschirm? Und ganz nach Goethes «Faust» liesse trefflich sich darauf antworten: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust. Die eine ist sich des digitalen Triebs bewusst. Die andere kann vom medialen Spektakel nicht lassen.
Wir wollten es genau wissen. Und fragten dazu unsere Schülerinnen und Schüler am Gymnasium Kirchenfeld: Wie hält ihr es mit den Medien?
Insgesamt nahmen 421 Lernende des Gymnasiums Kirchenfeld an der «Octoplus»-Umfrage teil. Der Grossteil davon ist zwischen 14 und 17 Jahre alt, einige wenige sind älter. Von den Teilnehmenden sind 262 weiblich und 150 männlich, 3 Personen gaben non-binär an und 6 Personen wollten sich zum Geschlecht nicht äussern. Die geschlechterspezifischen Unterschiede bei den Antworten werden im Weiteren jedoch nicht untersucht1.
Bei der Nutzung der verschiedenen Medien sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich. Beim Smartphone gaben 97% der Befragten an, dass sie es täglich brauchen2. Nur 4 Personen (0.9%) gaben an, dass sie es selten oder nie benutzen bzw. keines haben. Ähnlich sieht es beim Computer aus.

Aus schulischer Sicht vielleicht beruhigend: Bücher werden nach wie vor häufig oder regelmässig gelesen (von 77% der Befragten)3. Schwieriger haben es die Zeitungen, die insgesamt von etwa 85% der Befragten nie oder selten gelesen werden – am häufigsten werden noch Online-Zeitungen gelesen.
Das Smartphone ist zweifellos das Medium der Stunde bei den Jugendlichen: «Es ist das zentrale Instrument ihrer sozialen und kulturellen Teilhabe.»4 Doch wofür wird es verwendet? Zuerst einmal als Musikplayer und für den täglichen Social Media-Feed. Alle anderen Verwendungen folgen mit Abstand. Durchaus überraschend ist, dass das Gaming erst auf Platz 8 folgt.

Doch was schaut man sich am Bildschirm eigentlich an? Primär Entertainment, oder aber einen Mix aus Unterhaltung und Informationen, wie die Umfrage zeigt. Nur wenige benutzen die Geräte hauptsächlich, um sich zu informieren. Dies zeigt sich entsprechend in der zeitlichen Nutzung, wo nur ein kleiner Anteil der Lernenden (8%) mehr als die Hälfte ihrer Zeit am Bildschirm damit zubringt, Informationsinhalte zu rezipieren.



Und wenn mal die Information im Vordergrund steht – um welche Infos geht es dann? Am häufigsten werden politische Inhalte konsumiert. Offenbar sind die Lernenden durchaus am politischen Geschehen interessiert. Auf den weiteren Plätzen folgen Sport und Kultur, Lifestyle und Wissenschaft.

Obwohl politische Informationen am häufigsten gesichtet werden, sind die Jugendlichen sehr (selbst)kritisch bei der Einschätzung, ob sie persönlich über das politische und gesellschaftliche Weltgeschehen informiert sind. Hier ist die Selbsteinschätzung genau zwischen Mittel (Wert 0) und sehr wenig (Wert -100) – die Lernenden schätzen sich also im Durchschnitt so ein, dass sie wenig über das politische und gesellschaftliche Weltgeschehen wissen.

Nicht nur die Inhalte, auch die Dauer der Nutzung von Bildschirmmedien steht häufig im Fokus der öffentlichen Diskussion. Die Hälfte der Jugendlichen gibt eine tägliche Nutzungsdauer zwischen 2 bis 4 Stunden an. Von der anderen Hälfte gibt die Mehrheit eine kürzere Nutzungsdauer an. Nur wenige Lernende geben 6 und mehr Stunden tägliche Handyzeit an. Wohlgemerkt: Hier handelt es sich um zusätzliche Bildschirmzeit, die noch zur Bildschirmzeit während des Unterrichts dazu kommt.

Verabschieden wir uns von der Technologie und wenden wir uns noch dem Lesen zu. Was lesen die Lernenden am Bildschirm und auf Papier? Die Ergebnisse liegen relativ nahe beieinander, das heisst, dass alle Arten von Publikationen ähnlich oft gelesen werden. Voran natürlich die grosse Bandbreite an Unterhaltungsliteratur, gefolgt von Texten, die im Rahmen des Unterrichts gelesen werden. Ganz zum Schluss – und von der Schullektüre wohl nicht klar abzugrenzen – folgen Sachbücher, knapp hinter journalistischen Beiträgen.

Zuletzt haben wir die Lernenden gebeten, uns Tipps zu geben, was man tun kann, um in den Untiefen des weltweiten Netzes nicht den Fake-News auf den Leim zu gehen. Die häufigste Antwort lautete: Kritisch die Informationen und die Quellen prüfen. Oft wurde genannt, sich mit den Eltern oder Freunden zu besprechen (jedoch nicht mit Lehrpersonen – die wurden nie erwähnt ;-)). Mehrmals wurde erläutert, dass verschiedene Plattformen unterschiedlich vertrauenswürdig sind bezüglich der Glaubwürdigkeit von Informationen. Der «gesunde Menschenverstand» wurde immer wieder erwähnt, wie etwa in folgendem Kommentar:
«Was es braucht: Gesunden Menschenverstand, verschiedene Meinungen anhören, Fragen stellen.»
Oder wie es eine andere Person ähnlich prägnant auf den Punkt bringt:
«Überlegen, Hirn einschalten, kein TikTok.»
Eine andere Person hat sich gar ein Motto gesetzt:
«Motto: Facts Before Feelings!!!»
Gar zur pragmatischen Erkenntnis der eigenen Grenzen ist jene oder jener Jugendliche gelangt, der oder die geschrieben hat:
«Es ist mir bewusst, dass ich sehr wenig weiss und dass vermutlich auch ein erheblicher Anteil der Sachen, die ich zu wissen glaube, nicht oder nur teilweise stimmt. Das halte ich mir immer wieder vor Augen, gehe somit auch immer vorsichtig um mit den Informationen, die mir aufgetischt werden, und achte auch darauf, woher sie kommen. Das klappt zwar nicht immer, aber dafür ist man ja im Gymnasium, oder…»
- Nachträglich müssen wir eingestehen: Ein Versäumnis. Sind doch – wie etwa der Vergleich mit der nationalen JAMES-Studie zur Untersuchung des Medienverhaltens von Jugendlichen zeigt – die Unterschiede der Mediennutzung zwischen den Geschlechtern höchst bemerkenswert. Ein Beispiel: In der JAMES-Studie zeigt sich, dass der Besitz von gamingrelevaten Geräten bei männlichen Jugendlichen ein Mehrfaches höher liegt als bei weiblichen Jugendlichen. ↩︎
- Gemäss der JAMES-Studie besitzen 99% der Jugendlichen ein Smartphone. ↩︎
- Wie die JAMES-Studie zeigt, sind die Lesevorlieben der Jugendlichen recht konservativ: Seit das Leseverhalten 2012 erstmals untersucht wurde, steht ungebrochen die Harry-Potter-Buchreihe als Favorit auf dem ersten Platz. Auch beim Leseverhalten wäre der Fokus auf geschlechtsspezifische Unterschiede sehr interessant, wie die Ergebnisse der JAMES-Studie aufzeigen: Mädchen lesen häufiger und anders als Jungen. ↩︎
- Zitat aus der nationalen JAMES-Studie über den Smartphonegebrauch von Jugendlichen. ↩︎