Als Schüler an der Kantonsschule Schaffhausen habe ich mich gegen Ende des 10. Schuljahres (bei uns wäre das Ende GYM2) verblüfft gefragt, wo denn die viele Zeit hinkomme, die mir fehlte, um Hausaufgaben zu machen, für Proben zu lernen, Referate und die Pfadiübung vom nächsten Samstag vorzubereiten, Trompete und Klavier zu üben, die Freundin zu küssen, …
Da sass ich dann also vor dem Stundenplan (der damals am Samstagmorgen mit Unterricht belegt war) und trug mit jeweils unterschiedlichen Farben die wöchentlich wiederkehrenden Termine aus obiger Liste ein, dazu die Proben der Stadtmusik und die Veranstaltungen der Mittelschulverbindung. Nach einer Viertelstunde und farbigen Fingern lag die Visualisierung des «zu viele-Dinge-unter-einen-Hut-bringen-wollen-Dilemmas» vor mir. Ein Verzicht auf ausserschulische Aktivitäten stand nicht zur Diskussion, eine gefährdete Promotion auch nicht und ein grösserer Hut, beispielsweise als 28h-Tag, war gerade nicht lieferbar. Bis zur Matur entwickelte und optimierte ich diverse Strategien, welche mir später als junger Familienvater oder als Rektor halfen, die vielen verschiedenen Dinge, welche mein Leben ausmach(t)en, unter einen Hut zu bringen.
Wie Picasso
Aus einem Stein einen Löwen zu machen, sei ganz einfach, soll Picasso gesagt haben. Man nehme einen Stein, einen Hammer und einen Meissel und schlage einfach alles weg, was nicht nach Löwe aussehe. Ich kann das zwar nicht, diese Gene hat mir der Steinmetz-Grossvater nicht mitgegeben, aber das Prinzip, alles wegzumachen, was nicht dazugehört, habe ich für den Unterrichtsbesuch angewendet, ohne die Begriffe «Fokus» oder «Flow» zu kennen. Während des Unterrichts habe ich keine Ablenkung zugelassen, selbst dann nicht, wenn mein Pultnachbar und Freund mir einen Teil seines Schoggigipfels anbot.

Die Zeitplanung dokumentieren – analog
Auch als Schüler*in kann man viel Zeit «sparen», wenn man die Dinge möglichst wenig in die Hand nimmt und fristgerecht erledigt. Nachproben kosten Zeit, ebenso Antanzen bei der Klassenlehrperson, wenn man (wieder) (mal) was gar nicht oder zu spät abgegeben hat. Unnötig wie ein ungenügendes Zeugnis. Also vermeiden und die Dinge fristgerecht erledigen. Das kann zwar mühsam sein, aber geht wenigstens schneller vorbei, sagte ich mir mit meiner juvenil simplen Logik. Damit das gelingt, braucht es eine brauchbare Übersicht – also nicht einen grösseren Hut, sondern eine grössere Agenda! Flugs gekauft und personalisiert wurde die Agenda zu einem unverzichtbaren Werkzeug, bis heute. Ich habe jeweils nicht nur Termine und termingebundene Aufgaben eingetragen, sondern auch den Fahrplan und beispielsweise die besondere Kleidung. Ich wollte immer zur richtigen Zeit mit dem richtigen Material am richtigen Ort sein und beispielsweise wenigstens ein bisschen Zeit zum Umziehen haben (z.B. von Schule zu Pfadi zu Konzert).
Von der to-do-Liste zum Zeitplan
Wenn ich dann als Kantischüler am Sonntagnachmittag ausgeschlafen war und keine Termine hatte, konnte ich für einige Stunden arbeiten. Aber womit anfangen? Und was, wenn ich bis am Abend nicht fertig werde? Die Beatles-Kassette[1], je 45 Minuten pro Seite, sorgte für eine Zeitstruktur. Und zu Beginn des Nachmittags zog ich aus der Agenda die zu erledigenden Dinge auf eine Liste, schrieb hinzu, wie lange ich dafür brauchte, bzw. wie viel Zeit ich dafür einzusetzen bereit war, zählte zusammen, korrigierte bei Bedarf und legte die Reihenfolge fest (schnelles Erfolgserlebnis am Anfang, dann die unangenehmen, grossen Brocken und kleine Dinge am Schluss). Zusammen mit Pausen, Unterbrüchen für Trompete üben und Zvieri ergab sich daraus ein Zeitplan für den Nachmittag, den ich so gut als nur möglich umsetzte. Allzu schlecht kann es nicht gelungen sein, denn die Matura bestand ich auf Anhieb, Trompete spiele ich noch heute und mit der damaligen Freundin[2] bin ich heute verheiratet.
Die Zeitplanung dokumentieren – digital
Schweren Herzens habe ich mich als Rektor von der analogen Zeit- und Lektionenplanung verabschiedet, die ich als Lehrperson über Jahrzehnte perfektioniert habe. Die digitale Form erlaubt Lese- und Schreibrechte für Drittpersonen und weil ich mich mit meinen Gesprächspartner*innen in der knappen Zeit lieber über die Sache als über Terminfindung unterhalte, ist mein Kalender als Rektor so weit als möglich öffentlich und die Terminverwaltung erfolgt durch die Assistentin. Einmal pro Woche besprechen wir die Termine der nächsten beiden Wochen und klären Überschneidungen, Verpflegung, Kleidung, Material, Vorbereitungszeit, Verkehrsmittel. Diese halbe Stunde spart in der Folge enorm viel Zeit.
Einer der wichtigsten wiederkehrenden Termine ist «Büro, keine Termine». In Wochen mit wenig externen Terminen kommen rund 10 Stunden zusammen, in den anderen Wochen rund 4-5 Stunden. Man sieht: Rektor zu sein ist kein Computer-Schreibtisch-Job! Outlook bietet zudem die Möglichkeit, «Quicksteps» zu programmieren. Mit wenigen Klicks wird so aus einer Mail eine Aufgabe oder ein Termin und es ist Zeit für deren Bearbeitung geplant.
Unter dem Hut
Auch mit der Rolle des Rektors sind zahlreiche und inhaltlich äusserst verschiedene Tätigkeiten verbunden. Eine funktionierende Selbstorganisation halte ich für eine notwendige Voraussetzung, dass eine wirkungsvolle und nachhaltige Führungstätigkeit gelingen kann. Die Zeit am Gymnasium scheint mir (und auch der Autor*innenschaft des neuen Rahmenlehrplans) für persönliche Erfahrungen in diesem Bereich bestens geeignet zu sein.
Unsere Hüte mögen unterschiedlich gross sein – für das, was wir alles (er)leben wollen, sind sie immer zu klein. Immerhin können wir mit ein bisschen Aufwand und Routine den Platz unter dem Hut günstig nutzen. Gutes Gelingen!
[1] Die Rote und Teile der Blauen Vinylplatten.
[2] Tatsächlich gab es nur selten gemeinsame Sonntagnachmittage, denn sie hatte unter der Woche wegen der Mithilfe im elterlichen Betrieb kaum Zeit für Schularbeiten. Über den Zeitpunkt des Küssens hüllt sich der Mantel des Schweigens …
